Originaltitel: Lovecraft Country
Aus dem Englischen von Anna Leube und Wolf Heinrich Leube
© 2016 Matt Ruff
Alle Rechte der deutschen Ausgabe © Carl Hanser Verlag München 2018
ISBN 978-3-446-25820-4
Ca. 428 Seiten
COVER:
Atticus Turners Verhältnis zu seinem Vater Montrose war schon immer schwierig. Doch als der von einem Tag auf den anderen aus Chicago verschwindet, macht sich der zweiundzwanzigjährige Atticus wohl oder übel auf die Suche. Auch wenn Montrose` letzte Spur nach „Lovecraft Country“ in Neuengland führt, Mitte der fünfziger Jahre ein Ort der schärfsten Rassegesetze.
Zusammen mit seinem Onkel George, Herausgeber des <em>Safe Negro Travel Guide</em>, und Jugendfreundin Letitia gelangt Atticus schließlich bis zum Anwesen der Braithwhites. Im alten Herrenhaus tagt der Adamitische Orden der Alten Morgenröte, eine rassistische Geheimloge, mit deren Hilfe der junge Caleb Braithwhite nichts weniger als die Weltherrschaft anstrebt. Doch dafür braucht er Atticus, und nicht nur ihn.
REZENSION:
Matt Ruff legt mit seinem neuesten Werk „Lovecraft Country“ einen Roman vor, dessen Inhalt zwar durch einen gemeinsamen Faden zusammengehalten wird, dennoch vielmehr als Episodenroman zu betrachten ist. Es handelt sich dabei um mehrere Geschichten, die in ihrer Gänze problemlos als Roman funktionieren – somit ist „Lovecraft Country“ definitiv keine geschickt verpackte Kurzgeschichtensammlung.
Die Vorgehensweise erinnert etwas an die heutige Serienlandschaft: Einzelne Episoden, die in Richtung gemeinsames Ziel laufen, dabei von einer weiteren, übergeordneten und verbindenden Hauptrahmenhandlung verbunden werden.
Zeitlich befinden wir uns im Jahre 1954. Örtlich in den Vereinigten Staaten. Der Rassenhass ist auf seinem Höhepunkt und Matt Ruff nimmt dies sehr detailliert und geschichtlich korrekt in sein Werk auf. Als Leser sieht man sich konfrontiert von kuriosen Schwarz-Weiß-Gesetzen und vordergründig anständigen, weißen Bürgern, die sich ja nur um ihr Land kümmern.
Diese rassistischen Züge und Erlebnisse zwischen den Buchdeckeln regen unglaublich zum Nachdenken an – immer wieder stellt man sich die Frage, ob wir Menschen seit den 50er Jahren überhaupt etwas dazu gelernt haben…
Neben den eben erwähnten Themen erleben die Protagonisten natürlich noch erheblich mehr. Sie sind dabei konfrontiert mit einer rassistischen Loge, Geisterhäusern, Zauberern und sogar der Weg in fremde Welten bleibt nicht aus.
Matt Ruff lässt eine sehr interessante Ideenvielfalt auf den Leser los. Paart diese kuriosen Geschichten dabei beinahe nebenbei mit historisch korrekten Begebenheiten.
Am Stärksten ist sein Buch beim Auftreten des Rassenhasses – hier wird man direkt in die Welt der Protagonisten hineingezogen und man würde am liebsten das Wort erheben. Im Laufe des Buches lässt dieser Bereich etwas nach – als ob der Autor nun verstärkt seinen Fokus auf die eigentlichen Episoden legen musste.
„Lovecraft Country“ ist ein wahrlich gelungenes Werk auf hohem literarischen Niveau. Ich persönlich empfand etwa die erste Hälfte des Buches am Stärksten in seiner Aussagekraft. In der zweiten Hälfte sackte es etwas ab, konnte dennoch weiterhin ausreichend überzeugen.
Alles in allem ein wirklich interessant erzähltes Werk, bei dem man sich nicht ganz sicher ist, welcher Aspekt gruseliger ist: Die Horrorelemente oder der real existierende soziale Horror?
Jürgen Seibold/07.07.2018
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