Robert Löhr: Der Schachautomat

c Piper Verlag GmbH, München 2005

COVER:

Wien, 1770.

In Schloß Schönbrunn findet eine selbst zur Zeit der Aufklärung aufsehenerregende Premiere statt: Hofrat Wolfgang von Kempelen präsentiert vor den Augen Kaiserin Maria Theresias seine neueste Erfindung, einen Schach spielenden Automaten. Schon bald wird die von da an in Preßburg ausgestellte Sensation zum beliebtesten Schauobjekt im ungarischen Königreich. Was der Habsburgische Hof zur größten Erfindung des Jahrhunderts ausruft, ist jedoch nichts weiter als eine brillante Täuschung: Das Gehirn des Automaten ist ein Mensch – der zwergwüchsige Italiener Tibor lenkt den “Schachtürken” aus dem Innern. Bisher aus der Gemeinschaft ausgestoßen, genießt er in der fremden Haut die Anerkennung der Männer und die Bewunderung der Frauen. Denn für die Rokokogesellschaft ist Kempelens Geschöpf aus Holz und Metall Lustobjekt und mechanischer Wunschtraum zugleich. Der Traum wird jedoch zum Alptraum, als eine schöne Aristokratin unter mysteriösen Umständen im Beisein des “Türken” zu Tode kommt. Der Maschinenmensch wird das Ziel von Spionage, kirchlicher Hetze und adligen Intrigen – und Tibor muß über sich hinauswachsen, um nicht mit dem Schachautomaten unterzugehen.

Robert Löhr, Jahrgang 1973, wuchs in Berlin, Bremen und Santa Barbara auf. Er war Journalist, bis er sich dem fiktionalen Schreiben zuwandte. Inzwischen hat er zahlreiche Drehbücher für Film und Fernsehen sowie Bühnenstücke verfaßt. Er lebt in Berlin und arbeitet neben dem Schreiben als Regisseur, Schauspieler und Puppenspieler. “Der Schachautomat” ist sein erster Roman.

REZENSION:

Die Geschehnisse um den Schachtürken faszinierten mich bereits vor langer Zeit, als ich in einem Buch über unglaubliche Geschehnisse einen kurzen Artikel darüber lesen durfte. Bei dem Schachautomaten handelt es sich um einen vermeintlichen Roboter, der 1769 von dem österreichisch-ungarischen Hofbeamten Wolfgang von Kempelen gebaut wurde. Er ließ mit diesem Automaten bei den Zuschauern den Eindruck entstehen, dass sein Schachtürke selbständig und vollautomatisch Schach spielt. In Wirklichkeit war jedoch ein zwergenwüchsiger Mensch darin versteckt, der dieses Gerät bediente.

Kempelen besaß dabei sogar die Frechheit, seinen Schachautomaten auf dem Kaiserhof zu Wien vorzuführen und somit ist ein sehr interessanter und wahnwitziger “Betrug” entstanden, den sich Robert Löhr als Basis seines Romanes vornahm.

Im Gegensatz zu den sehr häufigen historischen Romanen, die in erster Linie zumeist Liebesromane sind, führt uns Löhr schlicht und einfach in die Geschichte des Schachautomaten ein und lässt sie vor seinem Leser aufblühen – ohne den üblichen Schnickschnack anderer Romane zu verwenden.

Durch diesen Umstand und seiner gelungenen Herausarbeitung der Hauptdarsteller – vom kleinwüchsigen Tibor mit all seinen Zweifeln; den lebensfrohen Juden Jakob und natürlich nicht zu vergessen: von Kempelen, der mit seinem Automaten ein sehr großes Risiko eingeht – ist Robert Löhr ein historischer Roman gelungen, dem man absolut jedes Wort abnimmt. Selbst die hinzugedichteten Teile der vorliegenden Geschichte (es sind wahrlich wenige, wie man nach ein wenig Recherche über den Schachtürken herausfindet) sind so geschickt und glaubwürdig eingewoben, dass man den Roman sehr leicht mit einem erzählten Sachbuch verwechseln könnte.

Nichts desto trotz vergisst Löhr natürlich nicht einige notwendige Romanelemente und führt damit auf spannende Weise seine Geschichte fort und man ist beinahe enttäuscht, ob des schnellen Endes nach Erreichen der letzten Seite.

Somit endlich mal wieder ein historischer Schmöker, der zu überzeugen weiß und auch wieder mal die männliche Klientel anspricht.

Jürgen Seibold/17.02.2008

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