Rieks, Josefine: Serverland

© Carl Hanser Verlag München 2018

ISBN 978-3-446-25898-3

Ca. 170 Seiten

COVER:

Reiner ist Mitte zwanzig und arbeitet bei der Deutschen Post. Er sammelt Laptops und wird damit nicht nur zu einem Experten einer lange vergangenen Zeit.

Der schüchterne Computernerd wird auch zum Begründer einer Jugendbewegung, die sich auf Industriebrachen versammelt und das verklärt, was es früher wohl einmal gab – die Freiheit einer Gesellschaft, die alles miteinander teilt. Mit Hilfe einer Autobatterie gelingt es Reiner, eine Verbindung zu lange stillgelegten Servern herzustellen. Die Jugendlichen sehen, was seit Jahrzehnten keiner mehr gesehen hat: Das Internet.

Serverland erzählt von einer Zukunft, die sich anfühlt wie die Vergangenheit. Ein Romandebüt, das man mit weit aufgerissenen Augen liest.

REZENSION:

Als ich das Cover zu diesem Buch gelesen habe, war ich ohne jeglichen zeitlichen Verlust hin und weg von dieser Idee. Meine Gedanken drifteten ab in eine zukünftige Welt ohne Internet. Das Internet nicht nur abgeschaltet, sondern gar verboten. Diese Idee hat ungeahntes Potential für eine Dystopie der besonderen Art.

Als mich das Buch erreichte, war ich dann doch überrascht, dass es sich um gerade mal 170 Seiten handelt. Wie soll auf diesem begrenzten Raum eine Geschichte mit einer so weit gefassten und nahezu unbegrenzten Idee diese Vielzahl an Möglichkeiten abdecken?

Nun, gehen wir in Richtung Buch:

Eines Tages schafft es aber der Computernerd Reiner, mit Hilfe einer Autobatterie alte Server in einem Gewerbepark zum Leben zu erwecken. Die Dinge nehmen ihren Lauf und die Jugendlichen träumen von der angeblichen freiheitlichen Vergangenheit in der jeder jedes miteinander – zumindest virtuell – geteilt hat.

Ehrlich gesagt reicht dies schon als Erklärung – die Jugendlichen, welche sich in Folge dessen auf dem Areal breit machen scheinen irgendwie nichts weiter zu vollbringen, als von YouTube-Videos unserer Gegenwart überrascht und geplättet zu sein. Erstaunlich, welche Rolle das Musikvideo von Robin Williams übernimmt – dies nur, weil die Kids noch nie so etwas gesehen haben: Ein Mann tanzt umringt von Frauen und entkleidet sich bis auf die Knochen. Tja, das Video war schon sehr effektvoll produziert – aber als Beginn einer „Bewegung“?

Hätte SERVERLAND nicht die geringe Anzahl von gerade mal 170 Seiten innegehabt, ich hätte es schlichtweg abgebrochen. Bei 170 Seiten dachte ich mir, vielleicht kommt noch der eigentliche Sinn oder eine gewisse Moral dieser Geschichte.

Leider wurde ich durchweg enttäuscht. Der Schreibstil Josefine Rieks ist zwar eingängig und hätte durchweg Potenzial für interessante Bücher. Die vorliegende Geschichte war ihr aber scheinbar eine Nummer zu groß. Als etwas älterer Leser wird man das Gefühl nicht los, dass die Autorin schlichtweg zu jung für eine Welt ohne Internet ist und somit nicht durchdringend greifen kann, welche Auswirkungen ein gezwungenes Abschalten in der heutigen Zeit zur Folge hätte.

Darüber hinaus wird die Geschichte schlicht zu leicht erzählt. Allein der Gedanke, das Web ist seit Jahrzehnten nicht vorhanden – dennoch hat sich sonst absolut nichts technisch in dieser Welt getan? Das ist meiner Meinung nach nicht wirklich glaubwürdig. Josefine Rieks Welt wirkt (auch technisch) wie das Ende der 80er Jahre. Bei einem Zukunftsroman sollte zumindest ein klein wenig etwas vorangegangen sein. Insbesondere der Wegfall des Internets hätte ungeahnte Auswirkungen auf unser Leben. Allein das Verschwinden von zur Verfügung stehenden Informationen würde in manchen Ländern zu Ausschreitungen führen.

In Serverland scheint das Web lediglich aus YouTube zu bestehen.

Alles was somit bei diesem Buch übrigbleibt: Eine tolle Idee, ein guter Schreibstil, aber leider eine Geschichte ohne greifbare Botschaft, geschweige denn einer Handlung, die mich als Leser positiv überrascht und somit manches Auge zudrücken lässt.

Jürgen Seibold/07.07.2018

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