Originalausgabe März 2012
(c) Seibold Medien
(c) 2012 Piper Verlag GmbH, München
ISBN 978-3-492-27307-7
ca. 416 Seiten / € 9,99
COVER:
Annette und Rainer Pietsch sind beide Mitte Vierzig. Gemeinsam mit ihren drei Kindern – Sarah (14), Michael (12) und Lukas (11) – leben sie ein relativ beschauliches Leben in einer Stadt im Großraum Stuttgart. Als nach den Sommerferien ein neues Schuljahr beginnt, richtet sich die Familie wieder im Alltag ein. Nach einigen Wochen allerdings beginnen sich die Kinder zu verändern. Sarah wird immer abweisender den Eltern gegenüber, was diese der Pubertät zuschreiben. Aber auch Michael und Lukas entwickeln bisher unbekannte Verhaltensweisen und der Familienfriede wird mehr und mehr von Sticheleien, Streitigkeiten und einem zunehmend aggressiven Auftreten der Kinder erschüttert. Allmählich entsteht der Verdacht, die Veränderungen könnten etwas mit der Arbeit der beiden neuen Lehrer Rosemarie und Franz Moeller zu tun haben. Während des ersten Elternabends wird vereinzelt Kritik an den unkonventionellen Methoden der beiden Lehrer laut. Dann häufen sich Berichte über Mobbing und mysteriöse Zwischenfälle, bei denen Schüler sogar verletzt werden. Einer von ihnen tödlich …
REZENSION:
Die üblichen Bücher im Thrillergenre spiegeln Geschehnisse wider, die zwar sehr spannend zu unterhalten wissen, jedoch zumeist ein Thema abdecken, mit dem man als Leser eher selten konfrontiert wird. Somit lassen sich Werke über Serienmörder, Psychopathen und was es sonst noch so gibt relativ leicht konsumieren, da nur selten eine über das Lesen hinaus anhaltende Befürchtung aufrecht gehalten werden kann.
Jürgen Seibold – bisher eher bekannt als Autor von Kriminalromanen – wagte sich mit „Kinder“ an einen Thriller, der seine Thematik in einen Bereich versetzt, der für jeden durchweg nachvollziehbar ist: „Kinder“ spielt einfach in einer Schule und dadurch sehr geschickt mit den üblicherweise vorherrschenden Sorgen und Ängsten aller Eltern.
Sobald man ein Kind in eine Schule schicken muss, verliert man als Eltern einen gewissen Kontrollmechanismus und man ist genötigt, auf Hinweise unterschiedlichster Art zu reagieren. Für die Schüler ist die Schule der erste Abnabelungsprozess von den Eltern und somit ein Hort für Entstehung der ersten zwischenmenschlichen Probleme und Geheimnisse. Hinzu kommen Lehrer – mal gut, mal weniger gut – die ihr eigenes Bild und Meinung entwickeln. Somit ist man als Elternteil dazu verurteilt auf Basis von – oft rudimentären – Aussagen seiner Kinder und den zuweilen gegensätzlichen Informationen der Lehrer abzuwägen um eine für das eigene Kind positive Entscheidung zu fällen. Viel zu oft stehen hierbei die Noten im Vordergrund – und wenn diese passen scheint doch alles in Ordnung zu sein?
Jürgen Seibold spielt mit diesem Gedanken und konfrontiert uns mit einem Lehrerehepaar, das sehr zielorientiert und teils fanatisch vorgeht, dabei keine Rücksicht auf Einzelschicksale nimmt.
Das anfängliche Misstrauen vieler Eltern wird negiert durch verbesserte Noten der meisten Schüler, die sich auf diese kruden Lehrmethoden einlassen. Hierdurch verlieren die wenigen weiterhin misstrauischen Eltern den notwendigen Rückhalt der Masse und stehen mit ihrer Meinung am Ende alleine da, werden sogar durch die nun besser dastehende Klientel ins Abseits gedrängt.
Die von Jürgen Seibold dargelegten Charaktere sind durchweg authentisch erzählt. Er treibt lediglich Ideologie der beiden Lehrer ein wenig auf die Spitze – im realen Leben sind diese jedoch bis zu einem gewissen Punkt sicherlich nicht als unrealistisch zu betrachten.
Die Reaktionen der Eltern bleiben ebenfalls auf einer sehr wirklichkeitsnahen Ebene und man muss sich ernsthaft an der Nase fassen, was für die Entwicklung eines Kindes wichtiger ist – die persönliche Entwicklung oder tatsächlich nur der Notendurchschnitt?
Nachdem Jürgen Seibold seine Thematik in einen allgemein bekannten Bereich gelegt hat, entstand ein interessanter Plot, der erheblich mehr zum Nachdenken anregt als manch anderer, nach üblichem Schema angelegter Thriller.
Man kann sich also nur noch wünschen, dass dieses dramatisch und plausibel erzählte Thema im realen Schulalltag nicht vorkommt. Das Buch jedenfalls ist ein absoluter Tipp, der noch ein wenig mehr Hintergrundinformationen zu den Ideologien um das Lehrerehepaar vertragen hätte – was aber den Genuss dieses Werkes nicht unbedingt schmälert. Mir hat es jedenfalls sehr gut gefallen und somit kann ich „Kinder“ uneingeschränkt empfehlen.
Für alle, die sich nun ob meines Namens wundern: Nein, hierbei handelt es sich nicht um eine eigene Kritik des Autors – ich trage den Namen des Schriftstellers aus purem Zufall! Was ich schön finde, aber in Bezug auf diese Rezension keine weitere Bewandtnis hat.
Jürgen Seibold/15.05.2012
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