(c) Luzifer-Verlag 2013
Roman, 376 Seiten
Broschur, Softcover
€ 13,95, ISBN: 978-3-943408-19-5
COVER:
Es ist das Ende des 20. Jahrhunderts und Queen Victoria regiert das Reich noch immer an oberster Stelle, gewartet von einer babbage’sken Lebenserhaltungsmaschine. Aufwiegelungen und Unzufriedenheit wachsen so stetig in „Magna Britannia“, wie das ständige Streben von Schattenwesen nach Macht und Einfluss.
Alles, was Sie in den viktorianischen Gothic-Novellen gelesen haben, ist wahr: Menschen können vom Tod wiederauferstehen, Dinosaurier leben noch immer in abgelegenen Bereichen der Welt (und im Londoner Zoo!), und auch Darwins Evolutionstheorie wurde korrekt nachgewiesen.
Aristokratische Stammbaumhalter der Vampire setzen sich in Osteuropa durch und graben ihre Klauen in die königliche russische Familie, Dampf- und Uhrwerkbetriebene Robotersklaven arbeiten neben den Ärmsten der Gesellschaft, während logisch denkende Maschinen der Führungsschicht helfen, ihren Machtanspruch in dieser überbevölkerten Welt aufrecht zu erhalten.
In diese Kulisse setzen wir nun den höflichen Dandy und Galgenvogel Ulysses Lucian Quicksilver, gelegentlicher Abenteurer und Agent im Dienste des Thrones, der für schattenhafte Herren arbeitet, welche verzweifelt ein Regime zu erhalten versuchen, das seit 150 Jahren andauert und nun von innen einzustürzen droht – also keineswegs mehr das ist, was es zu sein scheint.
Er bekämpft schnauzbärtige Schurken in den zylindrischen Gewölben der Unterwelt mit raffinierter Eleganz und modischer Stilsicherheit. Unterstützung findet er dabei in seinem unerschütterlichen Hausdiener Nimrod, während die Uhr des Big Bens das Jahr 2000 ankündigt … und damit das Ende der Welt.
REZENSION:
Sobald man Jonathan Greens ersten Pax Britannia-Roman öffnet, befindet man sich im in einem teilweise stehen gebliebenen London – wir schreiben aber das Jahr 1997. Nichts desto trotz treffen wir auf Queen Victoria, die bereits 160 Jahre lang regiert und durch dampfbetriebene Maschinen noch weitere Jahre regieren wird. Darüber hinaus kann man im Londoner Zoo problemlos lebende Dinosaurier betrachten und man weiß, dass sich auch in der freien Wildbahn noch genügend davon herumtreiben. Beinahe unerwähnenswert lebt auch die Kolonialisierung Englands fort – jedoch nicht nur innerhalb großer Teile unserer Welt, sondern auch Mars und Venus sind britische Kolonien.
Man riecht förmlich das Teakholz und die Oberschicht Englands scheint modetechnisch schlicht stehen geblieben zu sein.
Dieser Transfer des viktorianischen Londons in unsere heutige Zeit ist sehr interessant und beinahe als selbstverständlich dargelegt.
Nun nehmen wir noch einen Oscar Wilde-ähnlichen Lebemann und lassen ihn als Abenteurer und Agent der englischen Regierung seinen Fall lösen.
Dessen Vorgehensweise in seinem Auftrag ist eine Mischung aus Sherlock Holmes und James Bond. Sein Butler besitzt sehr viele Anleihen aus der Comic-Welt, wirkt er doch stark wie Batmans eingeweihter und hilfreicher Diener Alfred.
Darüber hinaus strotzt der Autor nicht nur vor lauter Ideenreichtum – er schafft es auch virtuos, sehr viele Anspielungen auf weitere literarische Begebenheiten vor des Lesers Augen aus zu breiten.
Interessanterweise hatte ich in dieser Geschichte durchweg kein Problem, den Transfer vergangener Zeiten in die heutige Welt zu akzeptieren – im Gegenteil, dies machte mir beim Lesen absolut viel Spaß und schreit förmlich nach weiteren Geschichten dieser Art.
Die Figurenzeichnung ist sehr durchwachsen dargestellt – Nimrod, der Butler und Simeon, der dazu stoßende Neandertaler sind detaillierter gezeichnet als der Hauptprotagonist selbst. Gleichzeitig war man leider ein wenig zu oft mit dem „sechsten Sinn“ Ulysses konfrontiert – da hat es sich der Autor schon ein klein wenig zu leicht gemacht.
Gleichzeitig handelt es sich natürlich in erster Linie um eine Kriminal- bzw. Agentengeschichte und diese beiden Genre sind nicht gerade meine Lieblinge – in diesem Fall wurde das durch die dargestellte Welt aufgelockert und ich konnte darüber hinwegsehen. Nichts desto trotz wäre das Drehen an der Spannungsschraube sicherlich nicht schadhaft und würde dem Inhalt in keinster Weise schaden. Im Gegenzug könnte man als Alternative auch etwas mehr den Leser bei der Hand nehmen und ihn die Begebenheiten und Umstände stärker selbst entdecken lassen. Das Potenzial der Differenzen zwischen heute und der viktorianischen Zeit wäre ja vorhanden.
Schlussendlich handelt es sich aber trotzdem um einen sehr interessanten Roman eines Genres, welches mir leider bis zu diesem Buch noch nie untergekommen ist. Die Geschichte ist auch interessant genug, um auf weitere Folgen mit Vorfreude entgegen zu sehen.
Jürgen Seibold/08.01.2014
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