Henning Mankell: Wallanders erster Fall

Titel der schwedischen Originalausgabe: Pyramiden (Ordfront Verlag, Stockholm 1999)

Übersetzung: Wolfgang Butt

Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co.KG, München – April 2004

COVER:

Als Kurt Wallander seinen ersten Fall löst, ist er Anfang Zwanzig, ein junger Polizeianwärter und bis über beide Ohren in Mona verliebt. In einer Zeit, da die Polizei mit Schlagstöcken gegen Demonstranten vorgeht, wird seine Berufswahl nicht nur von seinem Vater kritisiert. Eines Abends findet er seinen Nachbarn Halén erschossen auf dem Küchenboden. Die Kriminalpolizei tippt auf Selbstmord, doch Wallander zweifelt an dieser Erklärung, um so mehr, als Haléns Wohnung in Flammen aufgeht und man wenig später auf eine weitere Leiche stößt. Am Ende dieser Ermittlung hat Wallander eine Menge Fehler gemacht und leichtsinnig sein Leben riskiert, doch sein außerordentliches kriminalistisches Talent gilt als erwiesen. – Von Wallanders erstem Fall bis zu einem ausgewachsenen Kriminalroman, “Die Pyramide”, reicht das Spektrum dieser Geschichten, die alle vor dem 8. Januar 1990, dem Beginn der Wallander-Romane spielen.

Henning Mankell, geboren 1948 in Härjedalen, ist einer der angesehensten und meistgelesenen schwedischen Schriftsteller. Er lebt als Theaterregisseur und Autor abwechselnd in Maputo/Mosambik und in Schweden. Mit Kurt Wallander schuf er einen der weltweit beliebtesten Kommissare. Auf deutsch sind von Mankell bislang erschienen: “Mörder ohne Gesicht”, “Hunde von Riga”, “Die weiße Löwin”, “Der Mann, der lächelte”, “Die falsche Fährte”, “Die fünfte Frau”, “Mittsommermond”, “Die Brandmauer”, “Die Rückkehr des Tanzlehrers” und “Vor dem Frost”, Kriminalromane. Außerdem: “Der Chronist der Winde”, “Die rote Antilope”, “Tea-Bag” und “Das Auge des Leoparden”, Romane; die Erzählungen “Wallanders erster Fall” sowie das Theaterstück “Butterfly Blues”.

REZENSION:

Ich wuchs in einem Elternhaus auf, in dem im Bücherregal eine mir unbegreifliche Anzahl von Heinz G. Konsalik – Büchern stand. Allein durch diesen Umstand gibt es Bücher, die ich nicht einmal von der Seite ansehe. Ich habe mich – aus Interesse, vielleicht aber auch einfach um was anderes zu lesen – für ganz andere Bereiche entschieden. Hierunter fallen natürlich Fantasybücher, historische Bücher, Thriller, Science Fiction und Horror. Der klassische Krimi hat mich bisher (durch den Konsalik-Einfluss und den anderen Büchern im Regal meiner Eltern) so gut wie gar nicht interessiert. Krimi war für mich immer so etwas wie „Tatort“, „Derrick“, ein wenig Agatha Christie oder Edgar Wallace – dies alles nur durch Erfahrungen im Fernsehen.

Zu diesem Bereich zählte ich bisher alles, was durch die verschiedenen Buchclubs, Hitparaden, etc. so hochgelobt und von der (älteren?) Masse gelesen wurde.

Somit in der jetzigen Zeit auch die Bücher von Henning Mankell. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, mir ein Buch von ihm zu kaufen und hätte sicherlich jeden Bekannten gefragt, ob er mich denn nicht kenne – falls dieser mit einem dieser Bücher als Geschenk mein Haus betreten hätte.

Nun erhielt ich jedoch „Wallanders ersten Fall“ und stöhnte erst mal auf. Kurt Wallander kannte ich bisher ebenfalls nur durch die Darstellungen in Buchkatalogen und von einem Film, den ich mir einmal aus Mangel an einem besseren Fernsehprogramm und der dazugehörigen Langeweile mal angesehen habe. Okay – der Film war leidlich spannend – aber deshalb ein Buch lesen?

Na, egal: Lesen wir halt „Wallanders ersten Fall“:

Dieses Buch beinhaltet fünf Kurzgeschichten, wobei eine davon durch seine Länge wohl eher als Roman zu betrachten ist.

Begonnen wird mit Wallanders erstem Fall und ich war sichtlich überrascht. Die Geschichte ist zwar noch ein wenig simpel gestrickt, gibt aber bestimmt vielen Wallander-Fans einen guten Blick auf den Ursprung Kurt Wallanders. Unter simpel meine ich, das es doch ein wenig zu einfach wäre vom Polizisten zum Kriminaler zu werden, in dem man sich bei Ermittlungen einer anderen Abteilung „einmischt“ – mal davon abgesehen, wurde dieser Umstand jedoch trotzdem relativ glaubwürdig dargestellt. Die knapp über hundert Seiten des ersten Falles waren somit für mich leidlich spannend aber doch ganz flüssig und interessant erzählt. Konnte mich aber noch nicht als neuen Wallander-Fan an sich ziehen.

„Der Mann mit der Maske“ hat mich hierbei schon mehr überzeugt. Die Geschichte ist zwar leider (!) sehr kurz und erstreckt sich nur über ca. 25 Seiten, war aber erheblich spannender und legte trotz dieser Kürze viel mehr Einblicke in das Innere von Kurt Wallander dar. Weiter ging es dann mit der vierzigseitigen Geschichte „Der Mann am Strand“ – Diese Geschichte und die darauffolgende „Der Tod des Fotografen“ öffneten mir das Potenzial Henning Mankells. Man erkennt hierbei sein kriminalistisches Know-How sowie seine Freude an der Darstellung und dem Aufbau seines Protagonisten. Diese beiden Geschichten machen sichtlich Spaß zu lesen und sind auch erheblich spannender erzählt als die vorangegangenen. Ob das daran liegt, das hier Kurt Wallander schon älter ist und als Kommissar arbeitet? Wenn ja, dann sehe ich die ersten beiden noch als Lehrstück des zukünftigen Kommissars – Sollte das der Fall sein, hat Henning Mankell beabsichtigt oder unbeabsichtigt einen sehr guten Einstieg in die Welt des Kurt Wallander geschaffen.

Die letzte Geschichte „Die Pyramide“ toppt das Ganze noch einmal um einiges. Nach dem dies die längste Geschichte in diesem Band ist, scheint es mir so, als ob die wahre Kunst des Henning Mankell sich erst darlegt, wenn er etwas ausschweifender erzählen kann. Somit scheint er ein sehr guter Romanautor zu sein, der einfach – wie viele andere Autoren auch – eine erzählerische Plattform benötigt in der er sich ausbreiten kann um den Leser zu fesseln und zu überzeugen.

Nach Genuss dieser letzten Geschichte in diesem Buch muss ich zugeben, daß Henning Mankell ein begnadeter Krimiautor ist und mit seiner Kurt-Wallander-Reihe sicherlich zu den heutigen Top-Five der „klassischen“ Kriminalromanschreiber zählt.

Vielleicht sollte ich einen Bekannten, der mir ein Mankell-Buch schenken möchte doch nicht des Hauses verweisen….

Jürgen Seibold / 16.05.04

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