c 2008 bei Knaur Verlag
ca. 560 Seiten
COVER:
Für ihren Vater empfindet Talia nur Hass – und trotzdem nimmt sie eine Anstellung bei ihm an. Schnell findet sie sich in dem geschäftigen Haushalt in Alte-Stadt zurecht und genießt es sogar, zu Carans mächtiger und wohlhabender Sippe zu zählen. Die junge Frau wird von allen geschätzt, auch von Caran, der ihr mit großer Freundlichkeit begegnet. Doch Talia meidet ihn, wo sie nur kann. Nur für den germanischen Söldner Atharic empfindet sie mehr, und lange ist er der Einzige, der um ihre besonderen Fähigkeiten weiß. Ohnedass sie es will, gerät sie in die Intrigen und Machtkämpfe der keltischen Fürsten. Als sie begreift, dass ihr Vater in seiner eigenen Sippe Feinde hat und in Lebensgefahr gerät, muss sich die jungen Druidin entscheiden: Will sieihre Rache – oder nutzt sie ihre Gabe, um ihn vor dem sicheren Tod zu retten?
REZENSION:
Der Titel macht erst einmal skeptisch: „Die Druidin“ suggeriert das historische Vorhandensein weiblichen Druidentums, das leider wissenschaftlich bislang nicht belegt werden konnte und lässt schnell an einfach gestrickte Esoterik-Lektüre denken. Doch dann wandert der Blick weiter zum Klappentext, und der verrät, dass die Autorin Birgit Jaeckel Ur- und Frühgeschichte studiert hat und somit eigentlich wissen müsste, über was sie schreibt. Ich habe das Buch also trotz meiner Vorbehalte zur Hand genommen und bin nicht enttäuscht worden – im Gegenteil.
Die Leser werden mitgenommen auf eine Reise nach Süddeutschland in die Zeit vor der Christianisierung: Die verschiedenen germanischen Stämme pflegen untereinander und mit den Römern und Griechen die vielfältigsten Handelsbeziehungen. Ganze Völkerwanderungen sind nicht selten. Über Krieg und Frieden entscheidet nicht nur die Politik, sondern auch die Druiden und Seher, die aus den Zeichen der Natur die Zukunft deuten. In diese Zeit wird Talia, eine junge Waise, hineingeboren. Sie verfügt über die ungewöhnliche Gabe, „Seelen sehen“ zu können und vermag so, Menschen zu heilen oder zu töten. Bald schon wird ihre Gabe als Gefahr für die führenden Druiden des Stammes erkannt, und Talia muss fliehen. Der Zufall führt sie an den Hof ihres Vaters Caran, einer der mächtigsten Stammesfürsten seiner Zeit. Obwohl die verstoßene Tochter nichts als Hass und Verachtung für ihren Vater empfindet, nimmt sie eine Anstellung bei ihm an. Talia verschweigt ihm jedoch, dass sie seine Tochter ist. Schon bald wird sie in das Intrigenspiel am Hofe hineingezogen und sie übernimmt schnell eine wichtigere Rolle in der Politik, als ihr lieb ist….
Zu Beginn des seitenstarken Textes dauert es ein wenig, bis Fahrt in die Geschichte kommt. Dann jedoch lässt einen das farbenprächtige Spiel der Protagonisten nicht mehr los. Vieles ist nicht so, wie es zunächst scheint, und mit Talia verfolgt man die Pfade einer eigenwilligen, nicht immer rational handelnden Frau, die ihren eigenen Weg geht. Auch die anderen Charaktere haben diese Bezeichnung wirklich verdient, sie besitzen alle Stärken und Schwächen und ein eigenes Profil – einer der Pluspunkte, der die Geschichte so mitreissend macht.
Der Aspekt des „Seelen Sehens“ ist zwar eindeutig der Fantasy entlehnt, jedoch stört die genrefremde Nutzung in diesem Fall nicht, denn sie wird wohldosiert eingesetzt und trägt dazu bei, das Buch spannend und lesbar zu halten.
Dieses Buch ist ein unbedingtes Muss für alle, die sich für die Frühgeschichte interessieren. Anhand zahlreicher Details und dank der großen Erzählfreude der Autorin taucht man richtig ein in die fremde Welt vor der Christianisierung, die immer noch ein zu wenig beachtetes Zeitfenster bei den historischen Romanen darstellt. Dabei werden keine Plattitüden und Klischees bemüht, sondern ein fundierter und abwechslungsreicher Einblick in jene uns heute so fremd erscheinende Welt geboten. Dazu vermag Jaeckel, eine spannende und überraschende Geschichte zu erzählen, die an keiner Stelle langweilt. Ein starkes Debüt von einer jungen Autorin!
Wenn das ganze Buch dann ausgelesen ist, hat man auch eine Erklärung für den Titel: Vermutlich brauchte der Verlag ein griffiges Schlagwort, um dieses Kaleidoskop von Eindrücken unter einen Hut zu bringen. Mit dem Inhalt hat der Titel jedenfalls nur am Rande etwas zu tun – und das ist gut so.
Katja Angenent für Hysterika.de/26.08.2009
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