Originaltitel: Dragon’s Eye
Übersetzung: Sophie Kreutzfeldt
c 2004 der deutschsprachigen Ausgabe: Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co.KG, München
COVER:
Shanghai. Die acht zusammengeketteten Menschen im Schlamm des Huangpo – sieben Männer und eine Frau – sind noch nicht lange tot. Aber niemand will etwas von ihnen wissen. Selbst der Polizeipathologe weigert sich, die Leichen zu untersuchen. Kommissar Sun Piao muß einen Bekannten um Hilfe bitten, um sie sezieren zu lassen. Eine Autopsie, die der junge Arzt nicht überlebt, denn es gibt Kräfte, die eine Aufklärung des Falles um jeden Preis zu verhindern versuchen.
Kommissar Piao weiß, daß er die Ermittlungen schleunigst einstellen sollte, aber er hat schon zu oft nachgegeben – und dann ist da noch diese schöne Amerikanerin, die nach ihrem spurlos verschwundenen Sohn sucht. Diesmal wird Sun Piao nicht tun, was seine Vorgesetzten von ihm verlangen…
Andy Oakes wurde 1952 geboren. Er ist der Sohn eines Berufsfußballers und einer Akademikerin. Nach dem Examen arbeitete er als Ingenieur. Im Zusammenhang mit geheimen Rüstungsprojekten ging er für zwei Jahre nach China, wo er neben Regierungsvertretern auch das Alltagsleben Shanghais kennenlernte. Seine ehrenamtliche Jugendarbeit in London führte zur Veröffentlichung eines Fotobandes über Slumkinder bei der Gulbenkian Foundation und zu einer Karriere als Fotograf. Nach der Gründung einer eigenen Franchise-Firma mit zwölf Angestellten wechselte er erneut den Beruf und wurde Jugendberater. Er lebt heute in East Sussex.
REZENSION:
Der Kriminalroman “Drachenaugen” von Andy Oakes beginnt absolut klassisch: Bereits auf der ersten Seite findet man die acht zusammengeketteten Leichen.
Die Widerstände denen sich Kommissar Sun Piao entgegenstellen muss, zeigen sich bereits am Anfang als selbst der Pathologe die Untersuchung der Leichen verweigert. Diese Hindernisse werden immer höher – und von mal zu mal zeigt sich, daß er schleunigst alle Ermittlungen einstellen müsste um seinen eigenen Hals zu retten.
In wunderbar düsterer Atmosphäre beschreibt Andy Oakes den Weg Sun Piaos durch den Sumpf einer Gesellschaft in der es innerhalb jeder gesellschaftlichen Schicht lediglich um den eigenen Vorteil geht – dies ohne Rücksicht auf Verluste. Nur Sun Piao und sein mitleidender Kollege scheinen am Rande dieser Herrschaftsgesellschaft zu stehen: Sie lassen sich nicht unterkriegen und versuchen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln den oder die Mörder zu fassen.
Fulminant beschreibt Oakes sämtliche Facetten der extrem brodelnden Stadt Shanghai. Parallel zur eigentlichen Handlung vermittelt er dabei unglaublich viel wissenswertes über diverse Eigenheiten in der chinesischen Kultur. Vieles davon ist für unseren Kulturkreis sehr schwer nachvollziehbar, lässt aber die Authentizität der Geschichte am Leben.
“Drachenaugen” schien mir als relativ üblicher Kriminalroman – Man kennt das ja: Mord – Kommissar – Ermittlungen – Mörder gefasst.
“Drachenaugen” kann jedoch mit diesem Schema nur “angekratzt” werden.
Andy Oakes geht in seinem Roman von der beginnenden Ermittlung im Drogenmilieu über Attentate hinweg zu politischen Dimensionen und Mächten, die den Kommissar zu erdrücken scheinen. Dies gleichzeitig mit einer Beziehung zu einer Stadt, die zwischen Liebe und Haß gleichermaßen zu pendeln scheint. Die detailreiche Darstellung führt den Leser direkt hinein in das Geschehen und man hat bisweilen das Gefühl mit Sun Piao im Auto zu sitzen, sowie alle Hochs und Tiefs des Kommissars am eigenen Leib mit zu erleben. Außerdem ist mit Sun Piao eine sehr sympathische neue Figur entstanden, die vom Leben gebeutelt trotzdem seine Ideale hochhält und das gute im Menschen sucht.
Somit ein absolut empfehlenswerter Kriminalroman, der auch genrefremde Leser mit Leichtigkeit überzeugen kann.
Bin gespannt ob noch folgende Sun Piao-Romane diesem hohen Anspruch erneut gerecht werden können.
Ich hoffe es…
JS/15.01.05
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